Das neue Jahr hat für mich mit einem Abschied begonnen. Nachdem ich die letzten sechs Wochen in einem Mindfulness Zentrum in der Nähe von Chiang Rai verbracht habe, war es Anfang Januar Zeit, wieder eigene Wege zu gehen und die Erfahrungen der letzten Wochen sacken zu lassen. Und ich hätte mir keinen besseren Abschluss vorstellen können, als bei Vollmond und am Lagerfeuer mit so vielen tollen Menschen das neue Jahr zu begrüßen und vom alten Abschied zu nehmen.
Das letzte Jahr oder eher die letzten zwei Jahre waren wohl die intensivsten meines Lebens … Es ist so viel im letzten Jahr passiert, dass sich dieser Zeitraum eher nach zwölf Jahren als nach zwölf Monaten anfühlt. Dunkelheit, Schmerz, Verlust und eine manchmal nicht endende wollende Traurigkeit haben das Jahr 2016 geprägt und waren auch im folgendem Jahr noch meine Wegbegleiter. Das Jahr 2017 war zudem von einem Prozess begleitet, der sich nach dem Prinzip „Zwei Schritte vorwärts und einer zurück“ vollzog.
Aber zwei Schritte vorwärts und einer zurück bedeutet immer noch einen Schritt vorwärts.
Und es ging vorwärts und zurück ins Leben – aber nicht ins alte, sondern in ein Neues. Und deshalb war das Jahr 2017 auch ein Aufbruch. Ein Jahr voller Veränderungen und Neuanfänge, das so reich war an neuen Erfahrungen, Erkenntnissen und persönlicher Weiterentwicklung wie keines zuvor.
Was ich in diesem Jahr gelernt habe:
Alles braucht seine Zeit
Eines der Dinge, die ich dieses Jahr lernen musste: Heilung braucht Zeit. Egal, ob es sich dabei um eine physische Erkrankung, eine psychische Krankheit oder um den Verlust eines Menschen handelt: Der Körper und die Seele brauchen Zeit, um zu heilen. Und dieser Prozess dauert oft viel länger, als man es sich vorstellt oder wünschen würden … Aber Leid und Schmerz sind ebenso Teil des Lebens wie Freude, Gesundheit oder Glück. Gewusst habe ich das schon vorher, aber genau das anzunehmen und zu begreifen – das habe ich erst in diesem Jahr gelernt.
Und natürlich kann man „den Shortcut“ wählen: Den Schmerz unterdrücken, seinen Körper mit Medikamenten vollpumpen und so schnell wie möglich wieder zur Arbeit, in den Alltag oder in die nächste Beziehung springen – aber über kurz oder lang wird sich das rächen. Denn Schmerz will gespürt werden. Nur so kann es zu echter Heilung kommen.
Arbeit ist nicht alles
Das war eine Erkenntnis, die ich auf die harte Tour lernen musste … Ich glaube, ich war schon immer ein Mensch, der sich sehr über seine Leistung und seine Arbeit definiert hat. So richtig bewusst geworden ist mir das aber erst in diesem Jahr. Ich wollte beruflich erfolgreich sein, Karriere machen und war so in diesem Hamsterrad namens Arbeit slash berufliche Selbstverwirklichung gefangen, dass ich gar nicht gemerkt habe, dass ich mich auf dem Weg dorthin selbst verloren habe …
Was ich aus dieser Erfahrung mitnehme: Arbeit ist nicht alles. Arbeit muss nicht so verbissen und ernst sein –mit etwas mehr Leichtigkeit kommt man genauso ans Ziel. Und wahrscheinlich am wichtigsten von allem: Sich selbst nicht so unter Druck setzen und stressen. Bei den wenigstens Jobs, die wir ausüben geht es um Leben und Tod. Und: Fehler sind menschlich – das sollte man sich immer mal wieder bewusst machen.
Mir selbst treu bleiben – und mir die Zeit geben, die ich brauche
Ich bin gerne unter Menschen. Aber ich bin auch ein Mensch, der Zeit für sich braucht und gerne mal für sich ist. Leider fühlen sich manche Menschen davon angegriffen, weil sie es auf sich beziehen – und schlussfolgern, dass ich nicht gerne Zeit mit ihnen verbringe.
In diesem Jahr habe ich noch mehr als je zuvor erkannt, dass es aber genau das ist, was ich brauche, um meine Batterien aufzuladen und gesund zu bleiben. Ich brauche diese Momente voller Stille, um Dinge zu verarbeiten und meine Gedanken zu ordnen. Und ich möchte mich dafür nicht mehr rechtfertigen müssen oder ein schlechtes Gewissen deswegen haben.
Aus der Routine ausbrechen – und Neues beginnen
Ich habe mir im Jahr 2017 vorgenommen, all die Dinge, die ich bisher immer aufgeschoben habe, anzugehen. Und ich habe mir vorgenommen, so viel neue Erfahrungen wie möglich zu sammeln – angefangen von kleinen Dingen bis zu großen Entscheidungen. Und ich glaube, das ist mir gelungen.
Ich war in Freiburg und Wien – Städte, in die ich schon immer mal reisen wollte, es aber nie geschafft habe.
Ich habe versucht, mehr Spontanität in mein Leben zu lassen – und mich zum Beispiel spontan mit fremden Leuten über ein Nachbarschaftsnetzwerk zum Picknick im Park verabredet.
Ich habe mir Stadtviertel und Orte in Berlin rausgesucht, an denen ich noch nie gewesen bin und habe sie erkundet.
Ich habe wieder angefangen, zu schreiben – nicht beruflich, sondern privat. Ich habe einen Blog gestartet, mich einer Schreibwerkstatt angeschlossen und mit einem Romanprojekt angefangen.
Ich habe mich auf zwei ganz neue Dinge eingelassen: Spiritualität und persönliche Weiterentwicklung. Ich habe angefangen, Bücher und Blogs zu diesem Thema zu lesen, ich habe angefangen zu meditieren und ich habe spirituelle Workshops und einen MBSR Kurs besucht.
Ich habe meinen Job gekündigt – etwas, worüber ich schon lange nachgedacht habe, es mich aber nicht getraut habe.
Ich habe angefangen Podcasts zu hören. Wahrscheinlich bin ich, was das angeht, ein Spätsünder, aber ich habe mich vorher nie für Hörbücher oder Podcasts interessiert. Nun sind sie ein schönes Ritual geworden – und ich versuche mir die Zeit zu nehmen, sie ganz bewusst und nicht nebenbei zu hören.
Ich habe meinen Traum von einer Auszeit und einer Asienreise verwirklicht – ohne viel Erspartes oder die Sicherheit eines wartenden Jobs in Deutschland.
Mit Gefühlen umgehen und sie zu artikulieren
Sich mit seiner Gefühlswelt auseinandersetzen und in sich hineinspüren – das ist definitiv eines der großen Themenfelder, mit dem ich mich im Jahr 2017 auseinandergesetzt habe. Wir lernen so viel Fachwissen in der Schule oder der Universität, aber wie wir mit Gefühlen umgehen oder über diese sprechen, das lernen wir nicht. Stattdessen lernen wir, alle möglichen Emotionen zu unterdrücken, um wie Roboter zu funktionieren.
In diesem Jahr habe ich gelernt, wieder mehr in Verbindung zu meinen Gefühlen zu kommen – und diese auch zu artikulieren. Damit macht man sich natürlich auch verletzbar: Man öffnet sich einem Menschen gegenüber und erhält nicht immer die gewünschte Reaktion. Denn oftmals hat die andere Seite genau dies eben noch nicht gelernt …
Glücklicherweise habe ich im letzten Jahr aber oft auch das genaue Gegenteil erlebt: Wenn ich mich öffne, öffnet sich auch mein Gesprächspartner. Und so habe ich so viele tiefgründige Gespräche geführt und intensive Bindungen zu Menschen aufbauen können, für die ich unglaublich dankbar bin.
Konflikte und schwierige Situationen anzusprechen
Ein Bereich, den ich am liebsten übersprungen hätte und der mich noch immer viel Überwindung kostet: Konflikte und schwierige Situationen anzusprechen. Da hatte ich im letzten Jahr genug Momente, um dies zu üben … Und um zu lernen, mit dem Resultat umzugehen, das nicht immer so wie erhofft ausfiel … Denn manchmal blockt unser Gesprächspartner ab, kann oder will sicht nicht in unsere Lage hineinversetzen oder ist schlichtweg mit der Situation überfordert. Das zu akzeptieren und anzunehmen, dass man manchmal auch mit ungeklärten Situationen leben muss, war definitiv eine der Herausforderungen, die dieses Jahr für mich bereit hielt.
Das Leben ist immer im Wandel
Nichts bleibt, so wie es ist. Das Gute ist genauso unbeständig wie das Schlechte. Und alles ist immer in Bewegung – ob wir das wollen oder nicht. Das Leben ist ein bisschen so wie das Wetter: Mal scheint die Sonne, mal regnet es und mal ist es bewölkt. Und manchmal gibt es auch Sturm, Gewitter oder Nebel – und manchmal hat man sogar alles an einem Tag.
Das anzunehmen war nicht immer einfach für mich dies Jahr … Aber man kann nichts festhalten: Weder glückliche Momente, noch Gefühle, noch Menschen. Aber genauso vergehen auch die schwierigen Momente und negativen Gefühle. Und in solchen Phasen hilft es, sich genau bewusst zu machen: Dass auch Gefühle wie Trauer, Verzweiflung oder Wut wieder vergehen. Denn, wie eine Freundin mir mal gesagt hat: Egal, wie du dich fühlst oder wie dein Tag war: Die Sonne geht jeden Tag von Neuem auf und jedem Tag von neuem unter – und das hat etwas sehr beruhigendes …
2 Kommentare
hallo Antonia
endlich habe ich die Zeit genommen dein Blog zu lesen…es fühlt sich sehr gut an!
ich kann nur wünschen das die Entwicklungen auch in 2018 weitergehen, dass du die Lust hast weiter zu erforschen wie du dich selbst bleiben kannst, in deiner Autonomie und auch in Verbindung zu den Anderen.
ich möchte dich als Geschenk zumal viel Zeit und ein warmes Herz schenken.
Liebe Grüsse, katrien
Hallo Katrien,
vielen Dank für deine Nachricht und lieben Worte! Und Zeit und ein warmes Herz kann man immer gebrauchen;) A
Liebe Grüße nach Belgien, Antonia