Letzte Woche machte das Video der indischen Poetry Slammerin Aranya Johar seinen Weg durchs Netz und geht mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Ihren Text beginnt die 18-Jährige mit folgendem Satz:
„Der erste Mann, der meine Hand hielt, sagte mir, Männer wollen nichts von blutenden Vaginas hören.“
Die 18-Jährige setzt sich in ihrem Text „A Brown Girl’s Guide to Gender“ mit ziemlich eindrücklichen Worten mit dem Sexismus in Indien auseinander. Nun ist Indien weit weg, aber auch in Deutschland habe ich oft das Gefühl, dass wir in Sachen Gleichberechtigung noch nicht so weit gekommen sind, wie wir es sein könnten. Und das nicht nur im beruflichen Bereich, sondern auch im partnerschaftlichem Bereich. Denn Themen wie die Periode, Verhütung oder gesundheitliche Vorsorge scheinen noch immer Frauenthemen zu sein.
1. Regelblutung
Beginnen wir mit dem blutigsten Thema zuerst: der Periode. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich mal ein Mann gefragt hätte: Du, wie ist das eigentlich so für dich, wenn du deine Tage hast? Was passiert da eigentlich in und mit deinem Körper? Die Periode scheint für die meisten Männer einfach der Zeitraum im Monat zu sein, in welchem die Frau Stimmungsschwankungen und Krämpfe hat und man im schlechtesten Fall keinen Sex hat – um es mal ganz runterzubrechen.
Dazu ein kurzer Exkurs in meine Pubertät: Ich war damals 15 Jahre und noch ziemlich unerfahren. Mein Freund wollte mit mir schlafen, ohwohl ich ihm sagte, dass ich jetzt bald meine Tage bekommen müsste. Als nach dem Sex tatsächlich etwas Blut auf meinem Oberschenkel war, hat er das Gesicht verzogen, sich weggedreht und gemeint, er kann kein Blut sehen. Und ich habe mich damals geschämt. Dafür, dass ich eine Frau bin. Dafür, dass ich blute. Und mich schlecht in meinem Körper gefühlt.
Heute, 15 Jahre später, würde ich wütend aufspringen, dem Typen eine Ohrfeige geben und ihn anschließend in die Wüste schicken. Denn heute bin ich stolz drauf, eine Frau zu sein. Auch eine blutende.
2. Verhütung
Auch wenn es um das Thema Verhütung geht, ist die Gleichberechtigung noch nicht weit gekommen. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn mir Frauen in langjährigen Beziehungen erzählen, dass sie die Pille alleine zahlen – und dass schon ok so sei, weil sie ja schließlich auch diejenigen sind, die die Pille nehmen. Mein emanzpiertes Ich will da jedes Mal laut aufschreien. Aus genau diesem Grund sollte es eigentlich das Mindeste sein, dass sich der Partner an den Kosten beteiligt – oder dies zumindest anbieten.
Und klar, jedes Paar hat seine eigenen Regeln. Vielleicht zahlt der Partner dafür öfter den Einkauf oder mehr von der Miete. Aber das ist für mich tatsächlich nicht das gleiche. Ich zahle gern mein eigenes Essen, ich zahl gern den Einkauf, aber in einer Beziehung möchte ich mir mit meinem Partner die Verhütungskosten teilen – sei es für die Pille, die Spirale oder eben Kondome. Denn Sex ist etwas, dass beide Partner angeht. Und das sollte die Verhütung auch.
Dass dies nicht so ist, sieht man auch an der Auswahl der Verhütungsmittel.
Die Frau schluckt Hormone, die Frau klebt sich Hormonpflaster auf die Haut, die Frau lässt sich eine Spirale oder eine Kupferkette einsetzen, während es für den Mann noch immer nur ein Verhütungsmittel gibt: das Kondom.
Während wir also monatlich Hormone schlucken und uns Dinge in unsere Gebärmutter einsetzen lassen – beides nicht ohne möglichen Nebenwirkungen oder Schmerzen – muss der Mann einfach nur kurz ein Stück Latex über seinen Penis ziehen. Sofern man denn mit Kondomen verhütet. Gleichberechtigung sieht für mich irgendwie anders aus …
Auf Blogs findet man viele Frauen, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Es geht um die Periode, die Verhütung und um die Frage, ob man die Pille absetzen sollte oder nicht. Aber wo sind die Männerstimmen in diesem Diskurs?
Vereinzelt findet man sie als Kommentare unter eben solchen Artikeln, aber Beiträge aus Männerperspektive findet man so gut wie keine … Ein paar Ausnahmen gibt es zum Glück. Klar, ein Gründer einer Kondomfirma ist hierbei nicht ganz unabhängig. Trotzdem ist es toll, dass sich hier auch endlich mal ein Mann mit dem Thema Verhütung auseinandersetzt – und sich auch Gedanken um die Kostenfrage oder um Ausreden wie „Mit Kondom spüre ich aber gar nichts“ macht.
3. Sexuelle Gesundheit
Das dritte Thema, das von vielen Männern schlichtweg ignoriert wird: Das Thema sexuelle Gesundheit. Während wir Frauen uns regelmäßig beim Frauenarzt untersuchen lassen und abchecken, dass wir keine Geschlechtskrankheit haben, kenn ich keinen Mann, der einfach mal zum Hautarzt oder Urologen geht, um sich durchchecken zu lassen. Das höchste der Gefühle ist ein Aids-Test bei denjenigen, die viel Sex mit wechselnden Partnerinnen haben. Und ich frage mich: Ist das einfach nur Faulheit? Ist es, weil es euch unangenehm ist, zum Arzt zu gehen? Und ist euch die Gesundheit eurer Partnerin/Sexpartnerin/eure eigene tatsächlich so egal?
Um das Thema Geschlechtskrankheiten dreht sich auch die großartige Serie „Lovesick“, die auf Netflix ausgestrahlt wird. In der Serie geht es um Dylan, der nach einer Chlamydien-Infektion versucht, alle seine vorherigen Sex-Partnerinnen zu informieren. Die Figur Dylan ist dabei kein Draufgänger, sondern ein hoffnungsloser Romantiker, der sich sofort Hals über Kopf in eine Frau verliebt – und dabei anscheinend nicht mehr an die Verhütung denkt. (Genauso wenig wie die Frauen in diesem Fall.)
Die Serie ist sehr witzig, das Thema ist es nicht. Chlamydien können bei Frau und Mann unter anderem zu Unfruchtbarkeit führen. Bei der Frau können sie außerdem Fehl- oder Frühgeburten verursachen und sogar aufs Kind übertragen werden. Und: Am Anfang treten oft keine Symptome oder Beschwerden auf, sodass die Krankheiten oft ahnungslos weitergegeben wird. Dass Geschlechtskrankheiten auch in der Realität ein ernstzunehmendes Thema sind, zeigt die steigende Zahl an Syphilis-Infektionen vor allem in deutschen Großstädten. Berlin wird sogar als Hauptstadt der Syphilis bezeichnet.
Natürlich möchte ich nicht alle Männer über einen Kamm scheren. Und natürlich gibt es auch Frauen gibt, die ungeschützen Verkehr haben und nicht regelmäßig zum Arzt gehen und zwar nicht nur in der Serie Lovesick, sondern auch im echten Leben.
Es gibt Männer, mit denen man zum Glück offen über diese Themen sprechen kann und die bei dem Begriffen „Monatsblutung“, „Arztbesuch“ oder „Verhütung“ nicht gleich das Weite suchen. Die sich ärztlich durchchecken lassen, sich an der Verhütung beteiligen und es sogar mit ihrer Männlichkeit vereinen können, Tampons für die Partnerin zu besorgen. Und das ist toll.
Toll, weil es nicht die Regel ist.
Ich glaube, dass da einfach noch mehr geht. Mehr Kommunikation, mehr Austausch zwischen Frau und Mann – und mehr Gleichberechtigung.
Und sexuelle Gesundheit sollte uns ja eigentlich allen wichtig sein – sowohl unsere eigene als auch die unserer Partnerin und unseres Partners.