Seit einiger Zeit stolpert man immer öfter über die Worte Achtsamkeit und Mindfulness. Auch ich beschäftige mich seit einiger Zeit sehr intensiv mit diesem Thema. Aber was ist Achtsamkeit überhaupt?
Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Weise aufmerksam zu sein: bewusst, im gegenwärtigen Augenblick und ohne zu urteilen.
John Kabat-Zinn
Achtsamkeit bedeutet also im Moment zu sein, im Hier und Jetzt – ohne dabei zu werten. Das klingt erstmal simpel, ist in unserer hektischen Gesellschaft aber tatsächlich eine ziemliche Herausforderung … Wir leben in einer Welt von Multi-Tasking und Reizüberflutung, in der wir so viele Dinge gleichzeitig tun und in der die meiste Zeit unser Autopilot eingeschaltet ist, ohne dass wir es überhaupt bemerken.
Der Autopilot ist das Gegenteil von Achtsamkeit. Denn sobald wir Dinge automatisch machen, schenken wir dem momentanen Geschehen keine Aufmerksamkeit mehr. Wir stehen unter der Dusche, sind gedanklich aber schon im Büro. Wir frühstücken und checken währenddessen unseren Newsfeed auf dem Handy. Wir sitzen in der Bahn und denken an das Meeting, das wir gleich haben.
All das sind Beispiele für ein nicht achtsames Verhalten. Ich kann mich an Tage erinnern, an denen ich mich im Nachhinein nicht mehr an die Fahrt ins Büro erinnern konnte. Etwas, dass ich jetzt, seit ich mich mit Achtsamkeit beschäftige, ziemlich erschreckend finde …
Gestern, Heute & Morgen
Was unsere Gedanken angeht, so sind wir ziemlich oft im Gestern und Morgen – aber selten im Heute. Wir denken über Dinge aus der Vergangenheit nach, die wir nicht mehr ändern können und machen uns Sorgen über die Zukunft. Interessanterweise können auch positive Gedanken nicht achtsam sein. Zum Beispiel, wenn wir in der Woche schon ans Wochenende denken oder dem nächsten Urlaub entgegenzufiebern. Denn auch wenn dies natürlich schöne Dinge sind, so sorgen diese Gedanken doch dafür, dass wir nicht im momentan Augenblick sind, sondern unsere Aufmerksamkeit auf die Zukunft gerichtet ist. Dies soll natürlich nicht bedeutet, dass man sich gar nicht mehr auf den Urlaub oder das Wochenende freuen darf, sondern es geht eher darum, achtsam mit seinen Gedanken umzugehen und zu schauen, was das mit einem macht, wenn die Gedanken nur auf die Zukunft ausgerichtet sind.
Achtsamkeit gegen Stress
Man merkt vielleicht an dieser Stelle, dass das mit der Achtsamkeit doch nicht ganz so einfach ist, wie es sich zunächst anhört … Da auch ich zu den Leuten gehöre, die oft viele Dinge gleichzeitig machen und deren Gedanken oft in die Vergangenheit oder die Zukunft abschweifen, versuche ich seit einiger Zeit bewusst, mehr Achtsamkeit in meinen Alltag und mein Leben zu bringen. Um das, was ich mir bereits selbst beigebracht habe, noch weiter zu vertiefen, habe ich in den letzten zwei Monaten einen MBSR-Kurs besucht, in dem man genau dies lernen und trainieren kann: achtsam sein.
Denn Achtsamkeit ist, wie viele andere Dinge auch, tatsächlich eine Fähigkeit, die man trainieren kann – und die Zeit braucht. MBSR steht für „Mindfulness Based Stress Reduction„und bezeichnet ein 8-wöchiges Achtsamkeitstraining, das vom Professor und Molekularbiologen John Kabat-Zinn zur Stressbewältigung entwickelt wurde. Durch gezielte Lenkung von Aufmerksamkeit und das Praktizieren von Achtsamkeit sollen Stress, Depressionen, Angstattacken, aber auch psychosomatische Beschwerden wie Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und Migräne sowie Schlafstörungen gelindert werden.
Das MBSR Programm besteht im Wesentlichen aus Achtsamkeitsmeditationen, sanften Yogaübungen und dem achtsamen Wahrnehmen des Körpers. Dabei soll die Achtsamkeit natürlich auch zu Hause praktiziert und geübt werden. Etwas, das für fast alle Teilnehmer die größte Herausforderung war … Ich meditiere schon seit einiger Zeit mit der App Headspace, die übrigens sehr empfehlenswert ist, aber zwischen einer 10-Minuten- und einer 40-Minuten-Meditation liegen tatsächlich Welten …
Eine halbe Stunde Meditation ist absolut notwendig, außer, wenn man sehr beschäftigt ist, dann braucht man eine ganze Stunde.
Franz von Sales
Aber es ist auch sehr spannend, die eigenen Gedanken und den Körper besser kennenzulernen. Ein stressiger Tag macht sich dann zum Beispiel darin bemerkbar, dass man sich auch auf die Meditation nur schwer einlassen kann und ist somit ein ziemlich guter Spiegel, der einem zeigt, wie man sich gerade fühlt – und dass man vielleicht gerade etwas mehr Ruhe in seinen Alltag bringen sollte. Zur Achtsamkeit gehört auch, Dinge nicht zu bewerten und es in diesem Fall einfach hinzunehmen, dass man sich gerade nicht auf die Meditation einlassen kann, anstatt sich zum Beispiel darüber zu ärgern oder sich einen anderen Zustand herbeizuwünschen.
Was ebenfalls zum achtwöchtigen MBSR-Kurs gehört, ist ein „Schweige-Tag“. Hier werden alle Übungen einen Tag lang vertiefend geübt – ohne dabei zu reden und sich mit Anderen auszutauschen. Auch die Mittagspause wird an diesem Tag im Schweigen eingenommen. Sinn dieser Übung ist, einmal voll und ganz in die Achtsamkeitspraxis einzutauchen und ganz bei sich zu bleiben.
Die Thematik des Schweigens reizt mich tatsächlich schon seit längerem. Und ich finde es tatsächlich auch sehr wichtig, dass man auch mal schweigen kann und mit seinen Gedanken und sich selbst alleine sein kann. Und dass man auch nicht unbedingt Worte braucht, um zu kommunizieren und sich zu verbinden, habe ich ja auch schon bei meinen spirituellen Healing-Workshops erlebt. Für mich war das Schweigen in der Gruppe tatsächlich kein Problem, aber ich weiß, dass das Schweigen und Alleinsein für viele Menschen eher schwierig ist. Es gehört also ebenso zu den Fähigkeiten, die man bewusst trainieren und üben kann.
Man braucht zwei Jahre, um sprechen zu lernen, und fünfzig, um schweigen zu lernen.
Ernest Hemingway
Und wie bei vielen Dingen, ist es auch bei der Achtsamkeit wichtig, sie regelmäßig zu trainieren. Denn der Autopilot und alte Gewohnheiten sind ziemlich hartnäckig. Achtsamkeit kann man übrigens in vielen kleinen Dingen in seinen Alltag bringen. Indem man sich zum Beispiel hinsetzt und einen Kaffee trinkt und nichts anderes macht, als Kaffee zu trinken. Das Handy in der Tasche lässt, das Buch in der Tasche lässt und einfach nur den Geschmack des Kaffees wahrnimmt. Oder indem man mal wieder mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend geht und versucht, sich nur auf das zu konzentrieren, was man gerade sieht. Oder sich einfach mal wieder auf eine Wiese legt und in den Himmel zu schauen. Und nichts anderes macht, als da zu sein.