Jeden Tag den Ort und die Unterkunft wechseln, so viel wie möglich sehen, jeden Tag eine andere Tour oder Aktivität – so sieht heute bei vielen das Reisen oder der Urlaub aus. Für mich stellt genau das die Art und Weise dar, wie ich nicht reisen möchte.
Back to the roots: Slow Travelling
Wenn man drüber nachdenkt, ist es schon irgendwie verrückt: Wir setzen uns in ein Flugzeug – und ein paar Stunden später sind wir in einem fremden Land oder auf einem anderen Kontinent. Als man noch auf Pferdekutsche, Schiff oder Eisenbahn angewiesen war, hat es Wochen oder Monate gedauert, um von einem Land in ein anderes zu reisen. Da haben wir es heute weitaus komfortabler. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass bei dieser Art des Reisens auch etwas verloren geht … Denn man sieht nicht, wie sich die Landschaft, die Umgebung, die Lebensart der Menschen verändert. Man wird innerhalb von einem Moment auf den nächsten in einen anderen Kulturkreis hineinkatapultiert. Und anstatt erstmal an einem Ort anzukommen und ein Reiseerlebnis zu verarbeiten, setzt man sofort das nächste oben drauf.
Travel at your own pace.
You will arrive.
Und da schließe ich mich selbst nicht aus. Als ich in Vietnam am Flughafen angekommen bin, da hatte ich diesem Moment, wo ich das Gefühl hatte, dass ich jetzt zwar in einem anderen Land bin, aber dass die Seele noch nicht mitgekommen ist. Denn die war noch in Thailand. Eigentlich war mein Plan, erstmal im Norden Thailands zu bleiben und die Zeit im Mindfulness so richtig sacken zu lassen … Aber dann hat sich die Möglichkeit ergeben, eine Freundin nach Vietnam zu begleiten – und ich habe meine Pläne spontan geändert. Und Spontanität ist etwas Tolles, vor allem beim Reisen. Aber in diesem Fall habe ich gemerkt, dass ich eigentlich noch gar nicht bereit bin für ein neues Land …
Weniger ist mehr
Lieber an weniger Orte reisen und dafür länger bleiben – das ist deswegen ab jetzt mein Motto. Natürlich möchte auch ich viel vom Land oder der jeweiligen Stadt sehen. Aber um wirklich in eine fremde Kultur einzutauchen und eine Region wirklich kennenzulernen, braucht man meines Erachtens vor allem eins: Zeit.
Zeit, um sich in ein Straßencafé oder in eine Garküche zu setzen und die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen.
Zeit, um zu Fuß durch die lokalen Nachbarschaften zu schlendern und die Ecken zu entdecken, die abseits von den Hauptstraßen und touristischen Attraktionen liegen.
Zeit, um mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen und ein Gefühl für ihren Alltag zu bekommen.
Zeit, um anzukommen.
Travel is more than the seeing of sights:
It is a change that goes on, deep and permanent,
in the ideas of living.
Miriam Beard
Aber beim Reisen, wie bei so vielen Dingen, muss jeder für sich selbst entscheiden, was ihm wichtig ist – und welche Art des Reisens für ihn die Passende ist. Ich bin generell schnell von Reizen überflutet und brauche zwischendurch Zeit zum Durchatmen und um meine Batterien aufzuladen. Deshalb habe ich mir für meine verbleibende Zeit in Asien vorgenommen, lieber ein paar Ziele von meiner Reise-Liste zu streichen als permanent von einer Überforderung in die nächste zu stolpern. Denn was oft unterschätzt wird: Reisen ist auch anstrengend. Das ständige Ein- und Auspacken, die fremde Sprache, die Kreditkarte, die auf einmal nicht funktioniert oder das Gästehaus, dessen Adresse man nicht findet … Gerade wenn man seit einer Weile unterwegs ist kann es deswegen hilfreich sein, ein paar Routinen aufrechtzuerhalten.
Meine 5 Reise-Routinen
1. Tagebuch schreiben
An erster Stelle steht das Schreiben. Weil es cooler klingt, wird es heute auch Journaling genannt, aber eigentlich ist damit nichts anderes gemeint als wie in einem Tagebuch alles runterzuschreiben, was einem durch den Kopf geht. Mir hilft es immer sehr, meine Gedanken und Eindrücke aufzuschreiben, um meinen Kopf zu ordnen. Und da das Schreiben und Aufschreiben auch zu Hause ein fester Bestandteile meines Lebens ist, versuche ich auch beim Reisen diese Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Außerdem ist es eine schöne Erinnerung, wenn man später in Deutschland mal wieder durch seine Reisetagebücher blättert oder Erlebnisse auf seinem Blog nachlesen kann …
2. Meditieren und achtsam sein
Nachdem ich im Mindfulness Camp für sechs Wochen täglich meditiert habe, habe ich die darauffolgenden zwei Wochen gar nicht mehr meditiert. Und ich bin innerlich ziemlich unruhig geworden und konnte gedanklich nicht gut abschalten … Das Thema Achtsamkeit kann im Reisealltag ebenfalls schnell mal untergehen: Man ist so mit seiner Reiseplanung beschäftigt, dass man oft gar nicht merkt, dass die Aufmerksamkeit gar nicht mehr in der Gegenwart, sondern nur noch auf die Zukunft gerichtet ist … Meine Gedanken wieder auf den aktuellen Moment zu lenken und zwischendurch eine Meditationspause einlegen steht deshalb ab jetzt wieder auf meiner Prioritätenliste.
3. Dankbarkeit praktizieren
Vor einem Jahr habe ich angefangen, jeden Tag aufzuschreiben, wofür ich dankbar bin. Das hat mir geholfen, meinen Fokus auf die positiven Dinge zu richten, denn oft bleiben meine Gedanken an negativen Erlebnissen haften. Seit ich reise, bin ich damit etwas nachlässiger geworden, zumindest was das Schreiben angeht. Das will ich ab jetzt wieder ändern. Denn gerade durch das Aufschreiben bekommt diese Praxis nochmal eine andere Wirksamkeit. Aber auch im Laufe des Tages ist es eine schöne Übung, immer mal wieder inne zu halten und sich bewusst zu machen, wofür man gerade dankbar ist. Denn das ist meistens eine ganze Menge …
4. Sport treiben
Seine Sportroutinen beim Reisen aufrecht zu erhalten, ist definitiv eine Herausforderung … Nachdem ich unzählige Jogging-Versuche unternommen habe, die jedes Mal mit dem Fazit geendet sind, dass Laufen einfach nicht meine Sportart ist, hat es vor einem Jahr klick gemacht und ich habe tatsächlich meine Lauf-Routine gefunden. Die nun auch in Asien aufrecht zu erhalten, ist definitiv nicht einfach … Denn Gründe, nicht laufen zu gehen, gibt es genügend: Entweder es ist zu heiß oder es regnet oder man ist mitten in einer hektischen Großstadt … Und trotzdem versuche ich, zu laufen. Auch wenn es heiß ist. Auch wenn es regnet. Auch in einer Großstadt. Einfach, weil Sport mir gut tut und ich mich dadurch ausgeglichener fühle.
Und natürlich sollte man dabei nicht zu verbissen sein: Wenn das Joggen gar nicht in meinen Zeitplan passt, versuche ich stattdessen einen langen Spaziergang zu machen oder statt mit dem Taxi oder Motorbike mit dem Fahrrad von A nach B zu fahren. An den asiatischen Verkehr muss man sich zwar erstmal gewöhnen, aber nach einer Weile verliert man die Angst und kann diese verrückte Erfahrung sogar genießen!
5. Einfach mal nichts tun
Sich während des Reisens zu entspannen, ist manchmal gar nicht so einfach … Denn man tappt schnell in die Aktivitätenfalle, jede Minute nutzen zu wollen und mit etwas füllen zu müssen. In den ersten Wochen hatte ich zum Beispiel nicht die Ruhe, um mich auf ein Buch zu konzentrieren, obwohl ich es liebe zu lesen. Und auch im Mindfulness Camp bin anfangs zu jeder Veranstaltung gegangen, weil ich nichts verpassen wollte – bis ich irgendwann total erschöpft war …
Einfach mal nichts zu tun oder Dinge zu machen, die man auch im Alltag machen würde, dass musste ich erstmal lernen … Aber gerade wenn man für mehrere Monate reist, sind genau diese Dinge wichtig, um keinen Reise-Koller zu bekommen. Ohne schlechten Gewissens mal einen Tag am Strand zu verbringen, einen Abend lesend im Bett zu verbringen oder sich stundenlang mit neuen Freunden und Reisebekanntschaften auszutauschen, ohne auf die Uhr zu schauen – dafür sollte man sich auch während des Reisens immer Zeit nehmen.